Die Frage, wie viel CO2 bei einer energetischen Sanierung wirklich eingespart wird, beschäftigt Eigentümer, Planer und Energieberater gleichermaßen. Ohne eine nachvollziehbare Berechnung fehlt oft der Schlüssel zu KfW‑Förderungen und zu einem glaubwürdigen Klimaschutznachweis. In diesem Beitrag erfährst du, welche rechtlichen Vorgaben gelten, welche Formeln tatsächlich verwendet werden und wie du den Nachweis Schritt für Schritt erstellst - inklusive Tipps, typischer Stolperfallen und einem kurzen Vergleich offizieller und kommerzieller Tools.
Rechtlicher Rahmen und Förderlandschaft
Seit 2008 schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zusammen mit dem BMWSB vor, dass bei öffentlich geförderten Sanierungsprogrammen die CO2‑Einsparung durch energetische Sanierung ein quantifizierbarer Nachweis sein muss, um Fördermittel zu erhalten. Die aktuelle Vorgabe für das KfW‑CO2‑Gebäudesanierungsprogramm (Programm‑Nr. 142661) verlangt mindestens 40 kg CO2‑Einsparung pro Quadratmeter Gebäudenutzfläche und Jahr. Die dafür notwendige Berechnung wird im KfW‑Formular 432 „CO2‑Einsparberechnung - Energetische Stadtsanierung - Zuschuss“ (Version 10/2021) festgeschrieben.
Grundlagen der CO2‑Einsparberechnung
Die Berechnung beruht im Kern auf drei Größen:
- Energiebedarf des Gebäudes vor und nach der Sanierung (in kWh/a).
- Der Emissionsfaktor nach Anlage 9 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) für den jeweiligen Energieträger.
- Die U‑Wert der Gebäudehülle, ausgedrückt in W/(m²·K) und die dazugehörige Gradtagszahl (standardisiert mit 80 kKh).
Die zentrale Formel für Wärmedämmungsmaßnahmen lautet:
(ΔU‑Wert [W/(m²·K)] × Gradtagszahl [kKh] × Fläche [m²]) × GEG‑Emissionsfaktor [g CO2eq/kWh]
Für Wärmepumpen wird nach KIPKI‑Methode gerechnet:
((Heizenergiebedarf - (Heizenergiebedarf / Jahresarbeitszahl)) × Emissionsfaktor
Die offiziellen Emissionsfaktoren (Stand 2023) sind:
| Energieträger | Faktor (g CO2eq/kWh) |
|---|---|
| Erdgas | 236 |
| Heizöl | 269 |
| Strom | 471 |
Schritt‑für‑Schritt Anleitung zur Berechnung und zum Nachweis
- Ausgangsdaten erfassen: Gebäudegrundriss, Wohnfläche, aktuelle U‑Werte, Heizsystem, Energieträger, Jahresverbrauch aus Energieausweis.
- Maßnahmen festlegen: Dämmung von Dach/Wände, Fenstertausch, Heizungserneuerung, Installation einer Wärmepumpe.
- Energiebedarf neu kalkulieren: Mit dem Bayern‑Hilfsmittel zur Abschätzung der CO2‑Einsparung (Version 2.3) oder einem eigenen Berechnungsblatt die erwarteten kWh‑Werte ermitteln.
- CO2‑Einsparung bestimmen: Differenz des alten und neuen Energiebedarfs mit den jeweiligen Emissionsfaktoren multiplizieren.
- Ergebnisse in KfW‑Formular 432 eintragen: Endenergieeinsparung (kWh/a), Primärenergieeinsparung (kWh/a) und CO2‑Einsparung (t/a).
- Verwendungsnachweis fertigstellen: Im „Beiblatt Gebäudesanierung“ alle Kennzahlen dokumentieren, unterschriften einholen und beim Fördermittelgeber einreichen.
Die durchschnittliche Lernkurve liegt laut Deutschem Energieberater Netzwerk (DEN) bei 8-12 Stunden, hauptsächlich für die korrekte Zuordnung der GEG‑Faktoren.
Offizielle Tools vs. kommerzielle Schnellrechner
Das KfW‑Formular verlangt detaillierte, maßnahmenspezifische Eingaben. Kommerzielle Rechner wie MEINBAU.net oder CO2online.de nutzen stark vereinfachte Annahmen und sind eher für die Vorplanung geeignet. Der Hauptunterschied liegt in der Anerkennung: Nur das offizielle System wird von Förderstellen akzeptiert.
Ein kurzer Vergleich:
| Kriterium | Offizielles KfW‑Verfahren | Kommerzielle Tools |
|---|---|---|
| Detailgrad | hoch (maßnahmenspezifisch) | niedrig (Pauschalwerte) |
| Förderfähigkeit | ja | nur Orientierung |
| Aufwand | sehr hoch | gering |
| Genauigkeit | 2‑5 % Abweichung (TU München) | bis 30 % Abweichung |
Für größere Quartiersprojekte empfiehlt sich das KfW‑Verfahren, bei Einzel‑Ein‑Haus‑Sanierungen kann ein Schnellrechner als erster Check dienen.
Praxisbeispiele und häufige Fehler
Beispiel 1 - Altbau in Leipzig: Ein dreistöckiges Mietgebäude (1.200 m² Nutzfläche) erhielt eine Außendämmung (ΔU = ‑0,6 W/(m²·K)) und eine moderne Gas‑Brennwertheizung. Der berechnete CO2‑Einsparwert lag bei 52 kg CO2/(m²·a) - damit die KfW‑Mindestgrenze von 40 kg überschritten. Der Nachweis wurde ohne Beanstandungen genehmigt.
Beispiel 2 - Wohnhaus in Süddeutschland: Der gleiche Ansatz wurde mit einer pauschalen Gradtagszahl von 80 kKh verwendet, obwohl das regionale Mittel nur 65 kKh beträgt. Das führte zu einer 18 % Überschätzung - der Antrag wurde abgelehnt. Hier war die korrekte regionale Anpassung entscheidend.
Typische Stolperfallen:
- Falsche Zuordnung von Emissionsfaktoren bei Mischsystemen (z. B. Gas‑ und Ölheizung).
- Vernachlässigung des Nutzerverhaltens - reale Heizverhalten weicht häufig um bis zu 15 % vom Modell ab.
- Unterschätzung der grauen Energie von Baumaterialien - seit 2025 verpflichtend nach GEG‑Novelle.
Tipps, Checkliste und Heuristiken
Um den Prozess zu erleichtern, kannst du folgende Checkliste nutzen:
- ✅ Alle Ausgangsdaten aus dem aktuellen Energieausweis übernehmen.
- ✅ Regionalen Gradtagszahlwert prüfen (z. B. Wetterdienst-Daten).
- ✅ Emissionsfaktoren aus GEG‑Anlage 9 exakt übernehmen.
- ✅ Für jede Maßnahme den ΔU‑Wert oder Jahresarbeitszahl dokumentieren.
- ✅ Berechnung mehrfach prüfen - idealerweise durch einen zweiten Energieberater.
- ✅ Alle Werte in das KfW‑Formular 432 übertragen und im Beiblatt unterschreiben.
Eine nützliche Faustregel: Wenn du bei den Eingabedaten mehr als drei Stellen runden musst, lohnt sich ein zweiter Blick - das reduziert das Risiko von Ablehnungen stark.
Ausblick: Digitalisierung und neue Anforderungen
Ab 2025 wird die graue Energie verpflichtend in die CO2‑Bilanz einbezogen, laut GEG‑Novelle. Gleichzeitig stellt die KfW eine API-Schnittstelle bereit, die Daten aus digitalen Energieausweisen direkt in Formular 432 importieren lässt. Das bedeutet weniger manueller Aufwand, aber höhere Komplexität der Datenqualität. Für kleinere Betriebe empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit zertifizierten Energieberatern, die bereits digitale Tools wie das CO2‑Tool_Wood (Waldwissensnetz) beherrschen.
Langfristig wird die EU‑Gebäuderichtlinie (EPBD) ab 2027 eine CO2‑Bilanz für jede Sanierung fordern. Wer jetzt die Praxis für den offiziellen Nachweis meistert, ist bestens für die kommenden regulatorischen Schritte gerüstet.
Häufig gestellte Fragen
Wie hoch muss die CO2‑Einsparung sein, um KfW‑Förderungen zu erhalten?
Der aktuelle Schwellenwert liegt bei 40 kg CO2 pro Quadratmeter Gebäudenutzfläche und Jahr. Die Berechnung muss nach Formular 432 erfolgen und alle geforderten Kennzahlen (Endenergie, Primärenergie und CO2) enthalten.
Welche Emissionsfaktoren gelten 2023 laut GEG?
Erdgas 236 g CO2eq/kWh, Heizöl 269 g CO2eq/kWh und Strom 471 g CO2eq/kWh. Für biogene Energieträger gelten reduzierte Werte, die in Anlage 9 des GEG aufgeführt sind.
Kann ich einen Schnellrechner für den Förderantrag verwenden?
Schnellrechner sind für die Vorplanung okay, aber der Förderantrag muss mit dem detaillierten KfW‑Verfahren (Formular 432) ausgefüllt werden. Nur dort akzeptierte Werte führen zur Bewilligung.
Wie berücksichtige ich die graue Energie?
Seit 2025 muss die graue Energie des Baumaterials in die Primärenergie‑Bilanz einfließen. Das Umweltbundesamt stellt dafür einen Leitfaden bereit; die Werte können über die Datenbank des Bausachverständigen‑Verbands abgerufen werden.
Wo finde ich die aktuelle Gradtagszahl für meine Region?
Die Gradtagszahl wird von den örtlichen Wetterdiensten veröffentlicht. Für Bayern gilt z. B. ein Mittelwert von 73 kKh, in Sachsen‑Anhalt liegt er bei rund 80 kKh.
Mit diesem Leitfaden hast du alle Bausteine, um die CO2‑Einsparung deiner Sanierung nachzuweisen - von der Datenerfassung bis zum Förderantrag. Jetzt liegt es an dir, die Zahlen zu sammeln, zu prüfen und das Projekt auf den Weg zu einer klimafreundlichen Gebäudezukunft zu bringen.