Stellen Sie sich vor, Ihr neues Zuhause wird nicht aus Beton oder Ziegel gebaut, sondern aus Holz. Nicht aus dem alten, langsam verrottenden Holz, das man aus dem Gartenhaus kennt, sondern aus modernem Brettsperrholz, das stabiler ist als Stahl und gleichzeitig CO₂ speichert. Das ist kein Science-Fiction-Szenario - das ist Deutschland 2025. In Leipzig, Dresden oder Freiburg stehen heute schon mehrere Wohnhäuser, die komplett aus Holz gebaut sind. Und sie sind nicht nur schön, sie sind auch sicher - vorausgesetzt, alles wurde richtig geplant.
Warum Holz? Die CO₂-Bilanz spricht für sich
Ein Kubikmeter Holz bindet im Durchschnitt eine Tonne CO₂. Das ist kein theoretisches Konzept. Das ist eine messbare Zahl, die sich direkt auf Ihre Klimabilanz auswirkt. Wenn Sie ein Einfamilienhaus aus Holz bauen, speichern Sie so viel Kohlendioxid, als würde ein Auto 5 Jahre lang nicht fahren. Im Vergleich dazu: Beton produziert pro Kubikmeter etwa 400 kg CO₂ - und das nur beim Herstellen. Holz hingegen nimmt während seines Wachstums CO₂ aus der Luft auf und speichert es für Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte.
Das macht Holzbau zur nachhaltigsten Wahl im Wohnungsneubau. Laut Statista stieg der Anteil von Holzbau im deutschen Wohnungsneubau von 8,2 % im Jahr 2018 auf 12,5 % im Jahr 2022. Für 2025 prognostiziert der Bundesverband Massivholzhaus sogar 18 bis 20 %. Warum? Weil Bauherren immer häufiger sagen: „Ich will nicht nur ein Zuhause bauen - ich will etwas Gutes für die Zukunft tun.“ 78 % der Bauherren nennen Nachhaltigkeit als wichtigsten Grund, wie eine Umfrage des Instituts für nachhaltiges Bauen zeigt.
Brandschutz: Holz brennt - aber nicht wie man denkt
„Holz brennt“ - das ist die erste Angst, die jeder hat, der von Holzbau hört. Aber Holz brennt nicht wie Papier oder Plastik. Es brennt intelligent. Wenn es Feuer abbekommt, bildet sich an der Oberfläche eine dichte, verkohlte Schicht. Diese Schicht isoliert das Holz darunter und verlangsamt den Brandprozess. Die Deutsche Gesellschaft für Holzforschung hat gemessen: Moderne Holzkonstruktionen verbrennen mit einer vorhersagbaren Geschwindigkeit von 0,7 Millimetern pro Minute. Das ist nicht zufällig - das ist berechenbar. Und das ist der Schlüssel zum sicheren Holzbau.
Heute können Holzbauteile Feuerwiderstandsklassen von REI 30 bis REI 90 erreichen. Das bedeutet: Ein Holzwandelement hält 30, 60 oder sogar 90 Minuten lang Feuer, Rauch und Hitze zurück, ohne zu versagen. Das ist genauso sicher wie eine Betonwand. Wie? Durch geprüfte Systeme - etwa Gipsfaserplatten, die als Schutzschicht um Holzträger oder Decken montiert werden. Oder durch spezielle Brandschottungen von Herstellern wie Hilti, die Öffnungen für Leitungen dicht verschließen, ohne dass man eine ganze Wand mit Gips verkleiden muss.
Die Muster-Holzbau-Richtlinie (MHolzBauRL), die 2020 überarbeitet wurde, legt genau fest, wie das geht. Sie ist der verbindliche Leitfaden für Architekten und Ingenieure. Ohne sie wäre Holzbau heute nicht so weit gekommen.
Vorfertigung: Schneller bauen, weniger Stress
Ein weiterer Vorteil von Holzbau ist die Vorfertigung. Die Holzträger, Wandelemente, Deckenplatten - alles wird im Werk präzise geschnitten, montiert und geprüft. Auf der Baustelle wird dann nur noch zusammengebaut. Wie ein Möbel aus IKEA - nur viel größer und viel stabiler.
Das spart Zeit. Und Zeit ist Geld. Bauzeiten werden durchschnittlich um 30 bis 50 % verkürzt. In Hamburg, wo 2021 die Wohnanlage „Wald und Stadt“ mit 128 Wohnungen fertiggestellt wurde, lag die Bauzeit 40 % unter der eines konventionellen Projekts. Das bedeutet: weniger Baustellenlärm, weniger Verkehr, weniger Lärm für die Nachbarn. Und weniger Kosten durch Verzögerungen.
Aber Vorsicht: Diese Geschwindigkeit hat ihren Preis. Die Planung ist komplexer. Ein Holzhaus braucht eine andere Art von Planung als ein Betonhaus. Die Statik, die Feuchtigkeitskontrolle, die Brandschutzkonzepte - alles muss von Anfang an perfekt abgestimmt sein. Wer das unterschätzt, landet schnell in teuren Nachbesserungen.
Die Herausforderungen: Feuchtigkeit und Regelungen
Nicht alles ist perfekt. Holz ist ein natürlicher Werkstoff - und damit empfindlich. Wenn es zu viel Feuchtigkeit abbekommt, quillt es, schimmelt oder fauligt. Das ist kein Mythos. Eine Studie des Instituts für Holzforschung München aus 2022 fand bei 12 von 100 untersuchten Holzgebäuden Schäden durch fehlerhafte Feuchtigkeitsplanung. Das ist 12 % - kein Großteil, aber auch kein kleiner Teil. Die Lösung? Detaillierte Bauphysik. Dampfbremsen, Belüftungskanäle, Abdichtungen an Kanten - alles muss sitzen.
Dann gibt es noch die rechtlichen Hürden. In einigen Landesbauordnungen steht noch: „Bauteile, die feuerbeständig sein müssen, müssen aus nichtbrennbaren Materialien bestehen.“ Das klingt nach einem Verbot von Holz. Ist es aber nicht - denn die MHolzBauRL macht Ausnahmen. Sie erlaubt Holz auch in Gebäuden mit mehr als vier Stockwerken, wenn die Brandschutzkonzepte nachgewiesen sind. Das erste achtstöckige Holzwohnhaus in Deutschland, das Gebäude in der Bugginerstraße in Freiburg, ist ein Beispiel dafür. Es ist FSC-zertifiziert, hat eine REI 90-Bewertung und steht seit 2021.
Das Problem? Nicht alle Behörden haben Sachverständige, die diese Konzepte verstehen. Michael Nentwig, Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, sagt: „Nur 35 von 163 Bezirksregierungen haben genug qualifizierte Experten.“ Das bedeutet: In manchen Städten dauert die Genehmigung doppelt so lange - einfach weil der Prüfer nicht weiß, wie Holz brennt.
Die Akteure: Wer baut heute wirklich mit Holz?
Es sind nicht nur kleine, kreative Architekten, die Holzbau machen. Es sind große Unternehmen. KLH Massivholz, Binderholz und Mayr-Melnhof Holz kontrollieren zusammen 65 % des deutschen Brettsperrholz-Marktes. Sie liefern die Platten, die in den meisten neuen Holzwohnungen verbaut werden. Sie haben Forschungsabteilungen, die neue Systeme entwickeln - etwa Holzverbundwerkstoffe mit verbessertem Brandschutz, die bis 2025 fertig sein sollen.
Auch die EU fördert das. Mit dem Programm „InnovFin“ werden bis 2027 120 Millionen Euro in innovative Holzbauvorhaben investiert. Und die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag 2021 festgelegt: Bis 2030 sollen mindestens 30 % aller öffentlichen Gebäude in Holzbauweise errichtet werden. Das ist kein Wunsch - das ist ein Gesetz.
Was kostet ein Holzhaus?
Ein Holzhaus ist nicht günstiger - aber es ist wertvoller. Die Baukosten liegen im Durchschnitt 5 bis 15 % über denen eines konventionellen Hauses. In Hamburg stiegen die Planungskosten um 15 %, weil Brandschutz und Feuchtigkeitskontrolle spezialisiert geplant werden mussten. Aber: Die späteren Betriebskosten sinken. Holz hat einen Wärmeleitkoeffizienten von nur 0,13 W/mK. Beton hat 2,1 W/mK. Das bedeutet: Ein Holzhaus braucht viel weniger Heizenergie. In 15 Jahren sparen Sie mehr als die zusätzlichen Anfangskosten.
Und es gibt Förderungen. Die KfW gewährt Zuschüsse für energieeffizientes Bauen - und Holzbau zählt dazu. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) unterstützt Holzprojekte besonders, weil sie CO₂ binden. Wer heute ein Holzhaus baut, investiert nicht nur in ein Zuhause - er investiert in eine bessere Zukunft.
Was brauchen Sie, um mit Holz zu bauen?
Wenn Sie ein Holzhaus planen, brauchen Sie mehr als einen Architekten. Sie brauchen:
- Einen Planer, der mit der MHolzBauRL vertraut ist - mindestens 80 Stunden Schulung sind nötig, wie der Deutsche Holzverband feststellt.
- Einen Brandschutzsachverständigen, der schon mit Holzkonstruktionen gearbeitet hat - nicht mit Beton.
- Eine Bauphysik-Expertin, die Feuchtigkeitsprobleme vorhersehen kann.
- Einen Bauunternehmer, der Erfahrung mit vorgefertigten Elementen hat.
Es ist kein DIY-Projekt. Aber es ist kein Traum. Es ist eine klare, machbare Alternative - und sie wird immer mehr zur Regel.
Ist Holzbau wirklich sicher im Brandfall?
Ja, wenn es richtig geplant ist. Moderne Holzkonstruktionen verbrennen langsam und vorhersagbar - mit einer Geschwindigkeit von 0,7 mm pro Minute. Durch geprüfte Brandschutzsysteme wie Gipsfaserplatten oder spezielle Abschottungen erreichen sie Feuerwiderstandsklassen von REI 30 bis REI 90. Das ist genauso sicher wie Beton. Die verkohlte Schicht schützt das unversehrte Holz darunter - das ist kein Zufall, sondern Physik.
Kann man mit Holz auch Mehrfamilienhäuser bauen?
Absolut. In Deutschland gibt es bereits mehrere achtstöckige Holzwohnhäuser, wie das Projekt in Freiburg. Die Muster-Holzbau-Richtlinie von 2020 erlaubt systematisch Ausnahmen für Gebäude der Klasse 5. Wichtig ist nur: Die Brandschutzkonzepte müssen nachgewiesen werden. Nicht jede Baubehörde hat dafür Experten - aber die Technik ist da.
Warum ist Holzbau teurer als Beton?
Die Anfangskosten sind höher, weil die Planung komplexer ist und spezialisierte Materialien verwendet werden. Holz selbst ist nicht teurer als Beton - aber die Brandschutz- und Feuchtigkeitsplanung, die Vorfertigung und die speziellen Verbindungen kosten mehr. Langfristig sparen Sie aber durch geringere Heizkosten und höhere Wertbeständigkeit. Und Förderungen wie die KfW-BEG decken einen Teil ab.
Brennt Holz schneller als Beton?
Nein. Holz verbrennt langsamer und vorhersagbarer. Beton bricht bei hohen Temperaturen plötzlich - es kann abplatzen und einstürzen. Holz dagegen bildet eine schützende Kohleschicht und gibt Zeit für die Evakuierung. Die Branddauer wird nicht durch das Material bestimmt, sondern durch die Konstruktion. Und diese kann bei Holz genauso sicher sein wie bei Stahl oder Beton.
Wie lange hält ein Holzhaus?
Ein gut geplantes und gepflegtes Holzhaus hält mindestens 100 Jahre - oft länger. Es gibt in Deutschland noch viele Holzhäuser aus dem 19. Jahrhundert, die heute bewohnt sind. Der Schlüssel ist nicht das Holz selbst, sondern die Feuchtigkeitskontrolle. Wenn das Haus trocken bleibt, bleibt es stabil. Holz ist kein schwaches Material - es ist ein langlebiges, wenn man es respektiert.