Stellen Sie sich vor, Sie kommen nach Hause, müde vom Tag, und wollen das Licht einschalten. Aber der Schalter liegt zu hoch. Oder Sie möchten Ihren Laptop aufladen, doch die Steckdose ist so weit weg, dass Sie den Rollstuhl schieben müssten - und trotzdem nicht reichen. Das ist für viele Menschen Alltag. Dabei lässt sich das leicht vermeiden. Die richtige Platzierung von Schaltern und Steckdosen macht den Unterschied zwischen Selbstständigkeit und Abhängigkeit. Es geht nicht nur um Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen - es geht um Komfort für alle. Ob Sie älter werden, einen Unfall haben oder einfach einen kleinen Kindersitz im Wohnzimmer haben: die richtige Höhe und Position spart Kraft, Zeit und Stress.
Warum 40 cm und 85 cm die richtigen Höhen sind
Die gängige Regel in alten Häusern: Lichtschalter bei 110 cm, Steckdosen bei 30 cm. Das war einmal. Heute gilt die DIN 18040-2 als Standard, und sie sagt klar: Steckdosen gehören auf 40 cm über dem Fußboden. Warum genau diese Zahl? Forscher vom Institut für Arbeitsmedizin in Dresden haben gemessen, wie weit Rollstuhlfahrer mit den Armen reichen können, ohne den Körper zu verlagern. Bei 40 cm erreichen sie problemlos alles, was in 60 cm Entfernung steht. Das ist nicht nur bequem - das ist sicher. Kein Herumhantieren, kein Umfallen, kein Hilferuf.
Lichtschalter dagegen gehören auf 85 cm. Das ist die Höhe, bei der man den Arm locker ausstrecken kann - egal, ob man steht, sitzt oder im Rollstuhl ist. Wer mehrere Schalter hat, zum Beispiel eine Gruppe für Zimmerlicht, Fenster und Rollladen, kann sie zwischen 85 und 105 cm anbringen. Wichtig ist: Sie müssen alle leicht erreichbar sein. Kein Knien, kein Strecken, kein Zurechtrücken. Das ist kein Luxus. Das ist Grundausstattung.
Abstand zur Wand: 50 cm sind Pflicht
Es reicht nicht, den Schalter auf die richtige Höhe zu setzen. Er muss auch an der richtigen Stelle sein. Mindestens 50 cm Abstand zur Wand - das ist nicht nur eine Empfehlung, das ist gesetzlich vorgeschrieben. Warum? Weil ein Standardrollstuhl 65 cm breit ist. Wenn der Schalter direkt an der Wand ist, kann man ihn nicht erreichen. Der Rollstuhl kann nicht heranfahren. Man muss raus, sich drehen, sich anlehnen - und das ist gefährlich. Ein Abstand von 50 cm gibt genug Platz, um den Rollstuhl parallel zur Wand zu stellen und den Schalter mit der Hand zu erreichen. Das gilt für alle Räume: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Flur. Auch im Bad, wenn es eine Toilette oder Waschbecken gibt.
Steckdosen im Bad: Wo sie hingehören
Im Bad ist die Lage besonders kritisch. Hier braucht man Steckdosen für Rasierer, Haartrockner, Pflegedevices - aber auch für Notrufsysteme. Die VDI/VDE 6008 Blatt 3 schreibt vor: Unterhalb jedes Waschbeckens muss eine Steckdose sitzen. Und auch an der Toilette, idealerweise seitlich, damit man sie vom Rollstuhl aus erreicht. Aber Achtung: Diese Steckdosen müssen mit einer FI-Schutzschaltung gesichert sein. Und das ist entscheidend: Die FI-Schaltung darf nicht den gesamten Strom im Bad abschalten, wenn etwas schiefgeht. Sonst fällt die Notruf-Taste, die Beleuchtung oder das Pflegegerät aus. Das ist lebenswichtig. Deshalb brauchen diese Steckdosen einen eigenen Stromkreis, getrennt von anderen Verbrauchern.
Farbkontrast und Größe: Nicht nur Höhe zählt
Ein Schalter ist nur gut, wenn man ihn auch sieht und drücken kann. Viele Menschen haben Sehprobleme - oder eingeschränkte Feinmotorik. Deshalb muss der Schalter einen klaren Kontrast zur Wand haben. Laut DIN 18040-2 braucht er einen Lichtwertunterschied von mindestens 30 L*. Das heißt: Ein dunkler Schalter auf heller Wand - oder umgekehrt. Weiß auf Weiß? Fehlgeschlagen. Hellgrau auf Grau? Keine Chance. Das ist kein Detail. Das ist Sicherheit.
Auch die Größe zählt. Früher reichten 60 x 60 mm. Ab 2024 gilt die neue Regel: 80 x 80 mm. Warum? Weil 42 % der Menschen über 65 Jahre Probleme mit der Handkraft haben. Ein kleiner Knopf ist schwer zu treffen. Ein großer Schalter lässt sich mit der Faust, dem Ellenbogen oder sogar dem Handrücken betätigen. Gira, Jung und Busch-Jaeger bieten schon jetzt solche Modelle an. Sie kosten nicht mehr - und sind einfacher zu bedienen.
Installation: Was ein Elektriker wirklich tun muss
Ein Elektriker kann nicht einfach den alten Schalter rausnehmen und einen neuen reinmachen. Barrierefreie Installation ist ein Prozess. Zuerst wird mit der Wasserwaage die Höhe markiert: 40 cm für Steckdosen, 85 cm für Schalter. Dann wird das Loch gebohrt - mit einer 68-mm-Bohrkrone, 47 mm tief. In Hohlwänden braucht man spezielle Hohlwanddosen, die mit Schrauben festgezogen werden. Danach wird die Leitungsnut mit Spachtelmasse verschlossen. Erst dann kommt der Schalter. Der ganze Prozess dauert im Durchschnitt 2,5 Stunden pro Raum. Das ist mehr als bei einer Standardinstallation. Aber es lohnt sich. Die Handwerkskammer Oberfranken sagt: Elektriker brauchen drei zusätzliche Fortbildungsstunden, um das richtig zu machen. Wer das nicht kann, sollte nicht ran.
Barrierefrei in Altbauten: Ist das überhaupt möglich?
Ja - aber es ist schwieriger. In Häusern vor 2010 sind die Leitungen oft in der Wand verlegt, nicht in Nuten. Da kann man nicht einfach umbohren. Man muss die Wand aufschlagen, die Leitungen neu verlegen, die Dosen neu setzen. Das kostet. Ein Nutzer aus Leipzig berichtet: Für die Nachrüstung seiner drei Schlafzimmer musste er 320 Euro extra zahlen, weil die Leitungen nicht versetzt werden konnten. Aber: Es ist machbar. Und es ist wertvoll. 78 % der Menschen, die barrierefreie Schalter und Steckdosen haben, sagen: "Meine Lebensqualität hat sich deutlich verbessert."
Die gute Nachricht: Die KfW bereitet eine Förderung vor, die ab Frühjahr 2024 barrierearme Elektroinstallationen in Sanierungen unterstützen soll. Wer jetzt plant, sollte sich anmelden. Es gibt keine bessere Investition als die, die Ihnen oder Ihren Angehörigen die Selbstständigkeit zurückgibt.
Was kommt als Nächstes? Die Zukunft ist barrierefrei
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Bis 2030 wird ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland über 65 Jahre alt sein. Jeder vierte Neubau wird heute schon barrierefrei gebaut. Aber nur 12 % der Sanierungen. Das ist ein riesiges Potenzial. Die EU-Richtlinie 2019/882 verpflichtet Deutschland, barrierefreie Standards in öffentlichen Gebäuden umzusetzen. Und ab 2025 sollen alle öffentlich geförderten Wohnungen barrierefrei ausgestattet sein - mit Schaltern auf 85 cm, Steckdosen auf 40 cm, Kontrasten und großen Flächen.
Das ist kein Trend. Das ist die neue Normalität. Wer heute neu baut oder saniert, hat die Chance, das Richtige zu tun - und das nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst. Denn wer weiß, wann man selbst auf einen Rollstuhl angewiesen ist? Oder einen gebrochenen Arm hat? Oder einfach müde ist und nicht mehr hochgreifen will? Barrierefreie Elektroinstallation ist kein Extra. Sie ist die Grundlage für ein gutes Leben - für alle.